NRW Stipendium: „Augenblicke – Bildnisse einer sehr besonderen Zeit für nahezu alle Menschen.“
Dass wir alle „in einem Boot“ – oder „in einem Bus“ – sitzen, wurde in Zeiten der Corona Pandemie und des Klimawandels aus meiner Sicht besonders deutlich.
Die Grundlage meiner Arbeiten besteht aus im Außenbereich aufgenommenen Fotografien. machte ich jeweils zwei Fotografien der Person vor einem mobilen weißen Hintergrund. Beim 2. Foto sagte ich: „Und jetzt bitte Lächeln“, was viele wegen der skurrilen Situation – der Mund war ja hinter der Maske – tatsächlich zum Lachen brachte. Dies kann man an vielen Bildern sehr gut erkennen. Im Nachgang arbeitete ich die Augenpartien mit Mund-Nasen-Schutz der Teilnehmer:innen als Ausschnitt in Graustufen auf weißem Hintergrund heraus. Hierdurch wird der Blick des Betrachters immer gleich fokussiert.
In Summe sind 10 Fensterausstellungen mit einer unterschiedlichen Anzahl von je 15 x 40 cm großen „Augenblicken“ entstanden. Die Bilder wurden von mir in bestimmten, immer gleichen Abständen mit wiederablösbarem, doppelseitigem Klebeband an transparenten Fenstern und Schaufenstern vornehmlich in Würselen angebracht. Sie waren von außen sehr gut und durch das nur 80 Gramm schwere Papier auch von innen gut sichtbar.
Das Projekt begann im Mai 2021. Die Erstellung der Arbeiten, sowie deren Hängung an Schaufenstern mündete im April 2022 mit dem Schaufenster der Galerie des BBK Aachen/Euregio e.V..
Orte: Apotheke, Zeitschriften Laden, Second Hand Laden, Wäsche Laden, Gesamtschule, Wohnhaus der Caritas, Gymnasium, Kunstschule, Kunstausstellung, Senioren Park.
Zusätzlich haben sich einige Personen, die ich zum Beispiel an Bushaltestellen oder anderen Orten in Aachen und in Würselen angesprochen habe, an der Aktion beteiligt.
Viele Inhaber:innen kleinerer Geschäfte zeigten sich überanstrengt von den Anforderungen der ständig neuen Corona Regeln und der Angst um die berufliche Existenz. Einige von ihnen machten die Aktion dennoch sehr gerne mit, anderen war es schlichtweg zu viel.
Zahlreiche Teilnehmer:innen zeigten sich amüsiert, überrascht und es gab Gespräche über die Wirkung der Augenpartien und ob z.B. Kolleg:innen wiedererkannt würden oder nicht. Durch Stadtrundgänge konnte ich beobachten, dass angebrachte „Augenblicke“ z.B. an einer Apotheke in der Fußgängerzone auch noch nach Wochen von Passant:innen interessiert betrachtet wurden.
Insgesamt sind sehr viele Alters- und Lebenslagen von Menschen in dieser bestimmten Form erfasst worden. Es sind in Summe fast 500 Bildnisse entstanden. Einige Begegnungen werden mir besonders stark in Erinnerung bleiben. Eine Schülerin, die aus dem Flüchtlingslager Moria geflohen war, wie es mir die Lehrerin später berichtete. Schon in den 5 Sekunden, die ich nur für eine Aufnahme in Anspruch nehme, empfand ich einen Ausdruck, der mich sehr berührte. Ich fragte einen womöglich wohnungslosen Mann. Er stimmte zu, erinnerte sich aber daran, dass er eine sehr verschmutzte Maske trug. Diese warf er weg, holte eine weniger verschmutzte Maske aus einem Mülleimer und wollte sich diese für das Foto aufziehen. Erschrocken stoppte ich ihn und bot ihm eine unbenutzte Maske von mir an. Mir wurde schnell klar, dass diese Art, eine „neue“ Maske zubekommen, sicher nicht das erste Mal war. Einer Seniorin im Altenheim sagte ich: „Nun bitte in die Kamera schauen“. Eine Mitarbeiterin sagte mir, diese Frau sei blind.